Hier die Geschichte einer genialen technischen Entwicklung um 1955. Als einzigem deutschen Hersteller gelang damals Hanomag, die Patentrechte von H. Ferguson acht Jahre vor deren Ablauf zu umgehen und eine eigene Regelhydraulik anzubieten. Damit hatte das Hannoveraner Unternehmen bis 1963 gegenüber der Konkurrenz die Nase vorn. Als Hanomag seine Hydraulik 1956 der Öffentlichkeit vorstellte, wurde schon auf mittleren und größeren Betrieben mit Schleppern und hydraulischen Krafthebern gepflügt. Diese Entwicklung bedeutete einen großen Fortschritt gegenüber den Anhängepflügen, die besonders umständlich auf kleinen Parzellen und auf steinigen Böden waren.
Trotzdem blieben viele Wünsche offen. Denn die Schlepperhydraulik war anfänglich nur zum Heben und Senken konstruiert. Gepflügt wurde nach dem Ablassen in der Schwimmstellung (Freiganghydraulik), wobei das Dreipunkgestänge das Fahrgestell des Pfluges ersetzte.Dass ein höheres Schleppergewicht gegen Schlupf hilft, wussten wir damals auch schon und füllten unsere Schlepperhinterräder beim Pflügen mit Wasser.
Das war umständlich und nicht bei allen Arbeiten praktisch. So fanden wir auch bei kurzzeitigem, behutsamem Hantieren mit dem Hydraulik- oder bei der Handaushebung dem Aushubhebel ein weiteres Mittel gegen Schlupf.
Denn dabei wurde auch ein Teil des Pfluggewichtes auf den Trecker verlagert und die Griffigkeit der Räder erhöht.
Das funktioniert aber nur kurzzeitig und fordert vom Fahrer bei ungünstigen Bedingungen unaufhörliches Hantieren.
So mancher Pflüger wird sich dabei gewünscht haben, diese Plackerei einer Automatik zu überlassen.
Diese Erfindung gelang Harry Ferguson, dem wir auch die praktische Dreipunktaufhängung verdanken.
Begriffen hab ich das findige Patent der Ferguson Hydraulik erst auf einer Landmaschinenausstellung Ende der 1950iger Jahre auf einem Ferguson-Stand. Der Verkäufer hatte gerade wenig zu tun und bemerkte, wie ich neugierig auf die beiden Dezimalwaagen starrte, die da nebeneinander aufgestellt waren. "Was sollten die auf einem Treckerstand?", wunderte ich mich. Beide Waagen hatten nicht wie üblich ein Schiebegewicht sondern eine runde Federanzeige. Auf einer Waage stand ein Sack Korn, auf die andere bat mich der Verkäufer. Wir wogen damals beide 70kg. "Bitte versuchen Sie mal, nach rechts zu langen und mit ausgestrecktem Arm den Sack zu heben, und schauen Sie auf beide Anzeigen". Natürlich bekam ich den Sack nicht hoch. Aber das Gewicht vom Kornsack wurde immer kleiner und meines im gleichen Maße größer. "Und was soll das?", fragte ich. "Das ist das Ferguson-Prinzip", erklärte er.
Ganz klar: Die Ferguson-Hydraulik übertrug beim Pflügen ständig den größten Teil des Pfluggewichtes auf den Schlepper, ohne den Pflug anzuheben. Das bedeutete ein wesentlich höheres Schleppergewicht und bessere Traktion beim Pflügen gegenüber der Freiganghydraulik. Ferguson ging davon aus, dass ein Dreipunkt-Anbaupflug bei seiner Arbeit einen Druck auf den Oberlenker ausübt, der um so stärker wird, je höher der Widerstand durch Arbeitstiefe, Bodenhärte und Arbeitstempo ist. Er nannte seine Erfindung "automatische Widerstandsregelung". Sie ist an dem gefederten Oberlenkerhalter des Schleppers zu erkennen. Bei der Ferguson Regelhydraulik dient der Oberlenker nicht nur zur Ausrichtung des Pfluges in der Längsachse sondern auch zur Übermittlung des Drucks vom Arbeitswiderstand an ein Regelventil in der Hydraulikanlage.
Die gewünschte Arbeitstiefe wird am Steuersegment der Hydraulik mit einem verstellbaren Anschlagknopf justiert. Bei der Arbeit vergleicht das Regelventil den eingestellten Wert mit dem Druck vom Arbeitswiderstand. Steigt der Wert über das eingestellte Maß, wird der Pflug angehoben, bis beide Werte wieder übereinstimmen. Dann sperrt die Hydraulik und trägt den Pflug, bis der Druck vom Arbeitswiderstand unter den eingestellten Wert sinkt. Dann steuert das Regelventil auf Senken, bis beide Werte wieder übereinstimmen. Die beschriebenen Regelvorgänge verlaufen beim Pflügen mit Be- und Entlastung des Oberlenkers in rascher Folge, so dass der Oberlenker mit leichtem Vibrieren unbelastet und leichtgängig erscheint. Gleichzeitig wird ein Großteil des Pfluggewichtes auf den Schlepper übertragen, so wie es auf dem Fergusonstand mit den beiden Brückenwagen demonstriert wurde. Auch die Unterlenker können als Impulsgeber herangezogen werden. Man spricht dann von Unterlenkerregelung, hat aber immer noch eine Widerstandsregelung.
Voraussetzung für das Funktionieren der Regelung ist, dass ohne Stützhacke gepflügt wird, auf die sich sonst ein Pflug bei der Arbeit in Schwimmstellung abstützen muss. Auch das Stützrad darf nicht benutzt werden. Auch soll der Pflug einen guten Untergriff haben, um zuverlässig auch auf hartem Boden auf Tiefe gehen zu können.
Die Vorteile der Pilot-Regelung wogen um so mehr, je unterschiedlicher die Bodenverhältnisse in einer Furche waren.
Dagegen wirkte die Handhabung anfänglich eigenwillig und fremd, denn die Bedienungshebel lagen zunächst anders als bei den meisten Schleppern links vom Fahrer und waren auch nicht auf den gewohnten einen Hebel beschränkt.
Im Laufe der Weiterentwicklung gelangten die Bedienungshebel auf die allgemein übliche
rechte Schlepperseite und wurde die Handhabung auch vereinfacht. Die gewünschte Arbeitstiefe stellte der Schlepperfahrer nicht wie an der Ferguson-Hydraulik am Steuersegment ein sondern durch Handrad am Tiefentaster, später dann mit einer Kurbel.
Zuerst wurde an einem kleinen Stellrad am linken Hubgestänge je nach Gerätegewicht in Kategorie I, II oder III geschaltet. Kategorie I: Pflüge bis ca. 250 kg, Kategorie II: Pflüge bis ca. 550 kg und Kategorie III: schwere Geräte mit wenig Tiefgang.
Dann stellte man die gewünschte Arbeitstiefe vorläufig am Stellrad vom Tiefentaster ein.
In der Tiefgangspindel war eine lange Druckfeder angeordnet, die beim Überfahren von Steinen oder ähnlichen Hindernissen zusammengedrückt wurde und Beschädigungen des Regelventils verhinderte.
Oft blieben die unflotten Tasträder bei Arbeitsunterbrechung wegen anderer Arbeiten am Schlepper und reizten neidische Nachbarn zum Spott. Beim Unterpflügen von Stallmist und Rübenblatt traten Probleme auf, weil die Räder hier zum Verstopfen neigten und die Arbeit behinderten. Es ist deshalb leicht zu erraten, dass es bei Hanomag nach den großen Versprechungen zu Beginn des Pilot-Projektes nicht nur Lob sondern auch Ärger gegeben haben muss. Deshalb verbesserte Hanomag diese Regelung so gut wie möglich und ersetzte sie bei Freigabe der Ferguson-Patente um 1963 zunehmend durch Hydraulikanlagen mit Widerstandsregelung. Das war dann das Ende der kurzen aber bahnbrechenden Pilot-Ära. Lange danach konnte man auf vielen Höfen zwischen verrostenden Anhängerpflügen, Seitenmähwerken und Bindermähern die Tasträder der Pilotregelung entdecken. So wurde eine vielversprechende technische Entwicklung vergessen.
Mein Beitrag hat einen der Redakteure des Profi-Magazins für moderne Agrartechnik inspiriert, eigene Recherchen zu dieser interessanten Hanomag-Entwicklung anzustellen. Dabei hat er 2 Besitzer von Hanomag-Schleppern mit noch funktionirender Pilot-Regelung ausfindig gemacht und besucht. Er hat auch herausgefunden, dass bei Daimler-Benz 1984 für den MB-Trac mit der Hanomag-Hydraulik experimentiert wurde. Klicken Sie bitte auf diesen Link, um seinen Beitrag zu sehen. Besten Dank an Wilfried Holtmann, dass ich seinen Beitrag hier zeigen darf.